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24. Januar 2025
Lesezeit: 6
min.
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Achtung bei Insolvenz: Folgen für Geschäftsführer oft ungeahnt!
Befindet sich ein Unternehmen in der Krise, hat der Geschäftsführer alle Hände voll zu tun. Immerhin geht es um das Überleben des Unternehmens. Ab wann ist das Unternehmen insolvent? Wann muss Insolvenz angemeldet werden? Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab? Diese und ähnliche Fragen liegen auf der Hand. Was dabei häufig untergeht, sind die Risiken der persönlichen Haftung des Geschäftsführers bei Insolvenz, die diesen oftmals gar nicht bewusst sind. Gegenstand dieses Beitrages ist die mögliche persönliche Haftung des Geschäftsführers für Abgaben- bzw Beitragsschulden des Unternehmens, die im Rahmen einer Insolvenz nicht mehr vom Unternehmen bezahlt werden können. Neben dieser abgabenrechtlichen Haftung bestehen auch zivil-, gesellschafts- bzw strafrechtliche Haftungen, die im nachfolgenden Beitrag nicht dargestellt werden und nicht im Rahmen der Berufsbefugnis eines Steuerberaters beraten werden dürfen.
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Wer sollte diesen Beitrag lesen?
Im Fokus der hier beschriebenen Haftung stehen
- handelsrechtliche Geschäftsführer einer GmbH
- handelsrechtliche Geschäftsführer der Komplementär GmbH einer GmbH & Co KG sowie
- Vorstände einer AG
Vereinfachend werden die Bezeichnungen „Geschäftsführer“ und „Unternehmen“ verwendet.
Es handelt sich um Konstellationen, in welchen – fälschlicherweise – von einer gesellschaftsrechtlich bedingten „Abschirmwirkung“ des Geschäftsführers vor Haftungen (ua für Abgaben- bzw Beitragsschulden des Unternehmens) ausgegangen wird.
Haftung des Geschäftsführers - Die klassische Ausgangssituation
Das Unternehmen befindet sich in einer Krisensituation, deren Ausgang noch offen ist:
- Möglicherweise gelingt es, das Ruder noch herumzureißen, mit oder ohne Sanierungsverfahren.
- Möglicherweise kommt es zu einer Konkurseröffnung.
Für den Geschäftsführer stellt sich dabei immer die Frage, welche Unternehmensverbindlichkeiten er mit den (noch) vorhandenen liquiden Mitteln bezahlt und welche nicht.
Was bedeutet „Geschäftsführerhaftung“?
Üblicherweise denkt der Geschäftsführer in der Unternehmenskrise an eine mögliche persönliche Haftung wegen Insolvenzverschleppung. Das ist jedoch nur ein Teil des Risikos: bleiben Abgaben- und/oder Beitragsschulden des Unternehmens unbezahlt, kann er unter bestimmten Umständen auch für diese haften. Es handelt sich um eine persönliche, unbeschränkte und auch unbeschränkbare Haftung des Geschäftsführers mit seinem Privatvermögen für (aus seiner Sicht) fremde Abgaben- bzw Beitragsschulden! Besonders bitter ist dies für sogenannte „Fremd-Geschäftsführer“, die keine Anteile am insolvent gewordenen Unternehmen haben.
Achtung: die Geschäftsführerhaftung greift auch dann, wenn ein Sanierungsverfahren erfolgreich abgeschlossen wurde! Auch dann hat die Abgabenbehörde bzw ÖGK nur eine Quotenzahlung erhalten und leitet üblicherweise im nächsten Schritt hinsichtlich des noch offenen Restbetrags ein Haftungsverfahren gegen den Geschäftsführer ein.
Do´s & Dont´s im Zusammenhang mit der Haftung des Geschäftsführers
Der Geschäftsführer ist vereinfacht ausgedrückt für die Abfuhr jener Abgaben bzw Beiträge verantwortlich, die ab seiner Bestellung zum Geschäftsführer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Unternehmen zu bezahlen sind. Verletzt der Geschäftsführer diese Zahlungspflicht und werden Abgaben- bzw Beitragsschulden des Unternehmens aus diesem Grund uneinbringlich, kann die Abgabenbehörde bzw die ÖGK den Geschäftsführer unter bestimmten Umständen für den Ausfall zur Haftung heranziehen. Achtung: grundsätzlich genügt bereits eine leicht fahrlässige Pflichtverletzung, um eine Haftung auszulösen!
Solange lediglich eine vorübergehende Zahlungsstockung vorliegt, ist der Geschäftsführer gut beraten, die Abgaben- bzw Beitragsschulden des Unternehmens – bei Möglichkeit – vollständig zu bezahlen.
Liegt bereits Zahlungsunfähigkeit (oder Überschuldung) vor, darf der Geschäftsführer die Abgabenbehörde bzw die ÖGK nicht benachteiligen (Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung). Die konkrete Vorgehensweise ist komplex, die Beiziehung eines Fachexperten daher empfehlenswert. Achtung:
- die aus insolvenzrechtlicher Sicht gebotene Umstellung auf Zug-um-Zug-Zahlung kann eine Gläubigerungleichbehandlung und damit eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für Abgaben- bzw Beitragsschulden des Unternehmens auslösen!
- Der Geschäftsführer darf Zahlungen an die Abgabenbehörde bzw an die ÖGK nicht mit der Begründung unterlassen, dass diese insolvenzrechtlich anfechtbar wären, bzw kann er für die offenen Abgaben- bzw Beitragsschulden des Unternehmens zur Haftung herangezogen werden, falls er Zahlungen aus diesem Grund unterlässt.
Bei Überweisungen an die Abgabenbehörde bzw ÖGK sollte auf die korrekte Widmung der Beträge geachtet werden, da Zahlungen andernfalls für die Begleichung einer anderen (etwa älteren) Schuld verwendet werden.
Haftung des Geschäftsführers für Lohnabgaben
Hat das Unternehmen Arbeitnehmer, sollten Lohnsteuer und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung stets vollständig bezahlt werden. Ist dies aus Liquiditätsgründen nicht möglich, sollten Löhne bzw Gehälter optimalerweise gekürzt werden (oder muss sich der Geschäftsführer, falls er eine Kürzung unterlässt, zumindest seines persönlichen Haftungsrisikos bewusst sein!).
Beweisvorsorge im Rahmen der Geschäftsführerhaftung
Eine der wichtigsten Empfehlungen an den Geschäftsführer eines Unternehmens in der Krise ist die Beweisvorsorge für den Fall eines späteren Haftungsverfahrens. Der Geschäftsführer muss sich die relevanten Unterlagen, die er im Rahmen eines Haftungsverfahrens für seine Verteidigung benötigt (bspw Kontoblätter aus der Buchhaltung, OP-Listen etc), sichern, weil er sich später nicht damit rechtfertigen kann, dass er auf diese Unterlagen (aus welchen Gründen auch immer) keinen Zugriff mehr hat. Dabei zu berücksichtigen ist, dass Haftungsverfahren (etwa bei längeren Insolvenzverfahren) mitunter auch erst Jahre später eröffnet werden können. Auch in diesem Fall wird vom Geschäftsführer erwartet, dass er über die erforderlichen Unterlagen immer noch verfügt. Wer nicht nachweisen kann, dass er seine abgaben- bzw beitragsrechtlichen Pflicht nicht oder nur in einem betraglich beschränkten Ausmaß verletzt hat, kann für den Gesamtbetrag der offenen Abgaben- bzw Beitragsschulden in Anspruch genommen werden!
Versicherungen für Geschäftsführerhaftung
Hat der Geschäftsführer eine D&O-Versicherung abgeschlossen, sollte er diese binnen einer Woche ab Zustellung eines Haftungsvorhaltes oder Haftungsbescheides über die (drohende) Haftungsinanspruchnahme informieren.
„Schlechte“ Ideen
Nachfolgend findet sich eine beispielhafte Aufzählung, was der Geschäftsführer in einer Unternehmenskrise tunlichst unterlassen sollte:
- „Kreative Liquiditätsgewinnungsmaßnahmen“ wie
- Umsatzsteuervoranmeldungen nicht melden
- Lohnabgaben nicht melden
- die Körperschaftsteuervorauszahlungen ungerechtfertigterweise herabsetzen lassen
- Stundungen beantragen, obwohl die Einbringlichkeit der Abgaben gefährdet ist
- nur noch wichtige Lieferanten und Arbeitnehmer bezahlen, um das Unternehmen zu „retten“ (in diesem Fall sollte sich der Geschäftsführer zumindest seines persönlichen Haftungsrisikos bewusst sein, falls die Rettung misslingt)
- Weisungen von Gesellschaftern ohne vorherige Abklärung der Rechtmäßigkeit befolgen
- abgaben- bzw beitragsrechtlichen Aufgaben delegieren und die Person, an welche die Aufgaben delegiert wurden, nicht überwachen
- generell: Anwendung einer Loch-auf-Loch-zu-Taktik statt einer strukturierten Vorgehensweise in der Krise
Fazit
Der Geschäftsführer sollte sich in der Unternehmenskrise seines persönlichen, unbeschränkten und unbeschränkbaren Haftungsrisikos mit seinem Privatvermögen für offene Abgaben- bzw Beitragsschulden des Unternehmens bewusst sein. Empfehlenswert ist jedenfalls, sich hinsichtlich der Minimierung dieses Haftungsrisikos rechtzeitig, optimalerweise bereits bei Eintreten einer ersten Zahlungsstockung, von einem Fachexperten beraten zu lassen.
FAQ zur abgaben- und beitragsrechtlichen Geschäftsführerhaftung:
Wofür haftet der Geschäftsführer?
Im Rahmen der abgaben- und beitragsrechtlichen Geschäftsführerhaftung haftet der Geschäftsführer unter gewissen Umständen für uneinbringlich gewordene Beitrags- und Abgabenschulden des Unternehmens. Achtung: der Geschäftsführer haftet persönlich, unbeschränkt und auch unbeschränkbar mit seinem Privatvermögen!
Gibt es eine Versicherung für Geschäftsführerhaftung?
Ja, Geschäftsführer können eine sogenannte D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) abschließen. Diese schützt vor bestimmten Haftungsrisiken, die aus der organschaftlichen Tätigkeit des Geschäftsführers resultieren. Vorsätzliches Fehlverhalten wird dabei in der Regel aber nicht abgedeckt.
Ist es sinnvoll, in der Krise nur noch die Mitarbeiter und die wichtigsten Lieferanten zu bezahlen?
Bezahlt der Geschäftsführer zwar noch Mitarbeiter und Lieferanten, aber nicht mehr die Abgaben- und Beitragsschulden des Unternehmens, kann er sich damit für später vom Unternehmen nicht mehr einbringliche Beitrags- und Abgabeschulden persönlich haftbar machen. Geschäftsführer sollten daher – optimalerweise bereits bei einer ersten Zahlungsstockung – einen Fachexperten beiziehen, um ihr persönliches Haftungsrisiko bestmöglich zu reduzieren.