10. August 2021
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Neue Judikatur zugunsten der Unternehmer: Verzinsung von Umsatzsteuerrückforderungen und/oder Vorsteuergutgaben
UVA: Neues zu Umsatzsteuerrückforderungen und/oder Vorsteuergutgaben
Die Situation ist vielen Unternehmern leidvoll bekannt. Es wird eine Umsatzsteuervoranmeldung – UVA mit einem größeren Vorsteuerguthaben bei der Finanzverwaltung eingereicht, eine Gutschrift auf dem Finanzamtskonto erfolgt jedoch zunächst nicht. Im Gegenteil: Es wird eine Umsatzsteuerprüfung angekündigt. In vielen Fällen erfolgt die weitere Abwicklung der Prüfung durch Mitarbeiter der Finanzverwaltung rasch sowie kompetent und das Vorsteuerguthaben wird zeitnah ausgezahlt. In Einzelfällen ziehen sich Prüfungen – ohne ersichtlichen Grund – monatelang dahin, ohne dass ein Abschluss absehbar ist. Der Unternehmer kann den Abschluss der Prüfung und damit die Auszahlung der oft dringend benötigten Liquidität rechtlich nicht erzwingen. Auch allfällig notwendige Rechtsmittel dauern oft unverhältnismäßig lange.
VwGH vom 30. Juni 2021
Ein besonders plakativer Fall wurde am 30. Juni 2021 (Ro 2017/15/0035) durch den Verwaltungsgerichtshof – VwGH entschieden. Ein Unternehmer hatte am 13. September 2007 einen Überschuss an Vorsteuern in Höhe von rund 60.000 Euro in der UVA geltend gemacht. Eine Verbuchung am Finanzamtskonto erfolgte zunächst jedoch nicht. In der nachfolgenden Umsatzsteuerprüfung entstand ein Streit über das Ausmaß des zulässigen Vorsteuerabzuges. Letztendlich kürzte das Finanzamt den Vorsteuerbetrag mit Bescheid vom Oktober 2007 um 46.000 Euro.
Der Unternehmer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht ein Rechtsmittel. Eine Entscheidung (positive Erledigung für den Unternehmer) und eine Auszahlung des Vorsteuerguthabens erfolgte im Mai 2013, also mehr als 5 ½ Jahre später. Im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer beantragte der Unternehmer – gestützt auf § 205a BAO und auf die Rechtsprechung des EuGH – Zinsen für den Zeitraum Jänner 2012 bis Mai 2013.
EuGH vom 12. Mai 2021 (Rs C-844/19, TechnoRent International ua)
Nachdem sich der betroffene Unternehmer in seinem Antrag (bzw. in der nachfolgenden Beschwerde) dem Grunde nach auf Unionsrecht und dessen Auslegung im Verhältnis zum österreichischen Recht berief, leitete der VwGH am 24. Oktober 2019 ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein. Es wurde angefragt, ob das Unionsrecht eine unmittelbar anwendbare Regelung enthält, die einen Anspruch auf Verzinsung von nicht rechtzeitig erstatteten Umsatzsteuerguthaben enthält.
Im Urteil vom 12. Mai 2021 (Rs C-844/19, TechnoRent International ua) entschied der EuGH, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer dahingehend auszulegen ist, dass sowohl bei Berichtigung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage als auch im Zusammenhang mit einem Vorsteuerüberschuss eine Verzinsung zu erfolgen hat, wenn die Auszahlung der Guthaben nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt. Dies habe auch dann zu erfolgen, wenn das nationale Recht keine entsprechende Regelung enthalte.
Bedeutung für die Praxis – Antrag prüfen
Der VwGH hat – entsprechend dem EuGH-Urteil – im hier beschriebenen Verfahren eine Verzinsung des nicht ausbezahlten Vorsteuerguthabens in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bewilligt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der VwGH ausdrücklich ausführt, dass die Verzinsung der Guthaben – solange der österreichische Gesetzgeber keine entsprechende Regelung geschaffen hat – auf Basis einer Rechtsanalogie erfolgt. Keine Äußerung erging bedauerlicherweise zu der Frage, was angemessene Frist konkret bedeutet.
Welche Auswirkungen das VwGH-Erkenntnis auf die Praxis haben wird, ist aus unserer Sicht noch nicht wirklich ersichtlich. Klar ist, dass die nunmehr judizierte verpflichtende Verzinsung von Umsatzsteuerrückforderungen (nach einem angemessenen Zeitraum) eine Rute im Fenster der Finanzverwaltung ist. Jede unbegründete Verzögerung der Rückerstattung ist nunmehr potentiell mit einem Verzinsungsanspruch konfrontiert.
Zu erwarten ist allerdings, dass – solange keine ausdrückliche gesetzliche Regelung in Österreich geschaffen wird – eine Verzinsung auf Antrag erst nach erheblicher Gegenwehr gewährt werden wird. Ob ein solches Verfahren für ein mittelständisches Unternehmen im Hinblick auf die Kosten‑Nutzen‑Relation zielführend ist, muss daher im Einzelfall beurteilt werden. Kontaktieren Sie in diesem Zusammenhang Ihren TPA Berater, wir unterstützen Sie gerne.